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23. Februar 2017

Was brauchen wir für eine wirksame Energiewende in Deutschland? Und wie kommen wir dahin?

Donnerstag, 23. Februar 2017

Referent:  Hans Josef Fell, ehemaliger Abgeordneter des Deutschen Bundestages, Autor des Entwurfs des EEG 2000

Der Temperaturanstieg der Erde war und ist dramatisch, in „Klimazeiträumen“ von 30-Jahres-Abschnitten ungebremst mit rd. 0,1 Grad pro Jahr. Angetrieben durch menschenemittierte (CO2aeq-) Treibhaus-Gase. Lag die Dichte von CO2-Molekülen zu Beginn der Industrialisierung vor 140 Jahren bei etwa 280 ppm (parts-per-million), so liegt sie heute bei >400 ppm. Abgekühlt werden kann die Erde nur durch (schnellstmöglichen, abrupten) Stopp der Klimagasemissionen insbesondere aufgrund Verbrennung fossiler Ressourcen, schnellstmöglichen Umstieg auf Erneuerbare Energiequellen und Herausholen des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre durch Humusaufbau, großflächige Aufforstungen und Umstellung auf biologische Landwirtschaft.

Das im Jahr 2000 im Bundestag beschlossene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat eine unglaublich erfolgreiche Entwicklung für die Erneuerbaren Energien gebracht. Niemand (ausser Herr Fell, A.d.V.) hatte den tatsächlich erreichten Anteil von 35% Ökostrom für Mitte 2016 vorhergesagt.

Heute sind Solar- und Windstrom die kostengünstigste Art der Energieerzeugung; der Vergleich der Stromgestehungskosten mit Erneuerbaren Energien zeigt eindeutig: Die spezifischen Kosten für Wind-offshore- und -onshore- sowie Photovoltaik-Freifächen-Strom liegen heute bereits deutlich unter denen von Erdgas (etwa gleichauf mit Biomasse), erst recht unter denen von Steinkohle und Atom. Der weitere Trend geht überdeutlich weiter nach unten, die (reine) Erzeugung von Strom wird immer billiger.

Entsprechend rasant breitet sich die Nutzung regenerativer Energien in aller Welt aus. Die weltweiten jährlichen Investitionen in Erneuerbare Energien betrugen 2016 mehr als das Sechsfache als die von 2004. ZB in der Photovoltaik haben wir – mal wieder – unsere deutsche Wissens-Führungsrolle leichtfertig anderen Ländern überlassen. „Investitionsweltmeister“ in Sachen Wind und Photovoltaik ist China – dort ist der Neubau von >100 Kohlekraftwerken gestoppt –; gefolgt von Indien.

Mit der Nutzung heimischer Energien ist die Energieversorgung auch stärker absicherbar. Kriege (etwa um Erdöl speziell im Mittleren Osten) und die Zerstörung von Lebensräumen durch Klimaerwärmung – und damit heute über 20 Mio. Klimaflüchtlinge in aller Welt – werden unwahrscheinlicher; die Abhängigkeit Deutschlands von zu importierenden Energien (Mineralöl 98%, Erdgas 87%, Steinkohle 87%), die von russischem Erdgas (>35%) sinkt.

China, USA, Südamerika und auch Indien gehören zu den aufstrebenden Weltregionen, auch im Bereich Erneuerbarer Energien. „100% Erneuerbare Energie“ – global – ist keine Utopie mehr: In diese Richtung marschieren seit den Klimaverhandlungen von Marrakesh die 48 „climate vulnerable states“, also die vom Klimawandel besonders betroffenen 48 Staaten der Erde, sowie – in Europa – Dänemark, Schweden, Schottland und Island. Auch über 100 Städte haben 100%-EE-Ziele beschlossen, darunter Barcelona, Vancouver, Sydney, San Francisco, München, Doha, Malmö (um nur einige zu nennen).

Doch in Deutschland sind die Investitionen in Erneuerbare Energien in den letzten Jahren eingebrochen; die von der Bundesregierung als „Deckel“ vorgegeben Zielhorizonte werden bei Wind, Sonne, Wasser und Bio definitiv nicht mehr erreicht. Beispiel Zubau PV-Leistung: 2012 7.500 MW, 2015 1.300 MW („Deckel“ 2.500 MW/Jahr); Beispiel Zubau Bioenergie: 2011 knapp 700 MW, 2015 unter 30 MW („Deckel“: 100 MW/Jahr). Analog nahm die Zahl neugegründeter Energiegenossenschaften zunächst deutlich zu, von 23 im Jahr 2007 auf 134 in 2011, um dann heftig auf 29 in 2015 zu sinken.

Das ist politisch gewollt. Schuld daran ist auch eine interessengeleitete, öffentliche Agitation gegen regenerativen Energien als angebliche „Preistreiber“. Dies führte zu massiven Behinderungen der weiteren Entwicklung zu mehr „sauberer Energie“; auch durch Lobbyismus einschlägiger Kreise in Gesetzgebungsverfahren, aber auch durch stetige gesetzgeberische Einschnitte ins Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) (Ausschreibungsverfahren, Reduzierung der EEG-Vergütungen etc.), vorgelegt durch schwarz-rote Bundesregierungen der letzten Jahre.

Hans Josef Fell, „Erfinder“ des EEG, hat in seinem Vortrag die Hintergründe dieser Entwicklung erläutert und mit uns diskutiert, was wirklich zu tun möglich wäre, um wirksamen Klimaschutz mit 100% Erneuerbaren bei Strom, Wärme, Mobilität, Landwirtschaft zu erreichen: Klimaschutz in die Verfassung, Einspeiseregelungen für EE, Steuerbefreiungen für EE, Kohlenstoffsteuer, Beendigung jeglicher Subventionen für fossile, atomare und Öl-bezogene Energien und Industrien sowie die Intensivlandwirtschaft, Forschungs- und Bildungsoffensiven, Beendigung der (politischen und behördlichen) Widerstände in Genehmigungsverfahren, großflächige Aufforstungs- und Begrünungsmaßnahmen, nicht jedoch Zertifikationssysteme, Quoten und „Deckel“, Ausschreibungsverfahren und Emissionshandel.

Kein Wunder war das ein sehr interessanter und turbulenter, aber auch ernüchternder Abend; die Präsentation von Herrn Josef Fell ist absolut lesenswert: Klicken Sie hier


 

 



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