Energetische Sanierung von Gebäuden: Notwendigkeit, Hemmnisse, Lösungen
Diskussionsforum aus der Veranstaltungsreihe „Mutbürger für Energiewende!“
gefördert durch IKEA-Stiftung, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Selbach-Umwelt-Stiftung, Manfred-Wierichs-Stiftung
in Kooperation mit Landeshauptstadt München, Referat für Gesundheit und Umwelt
Donnerstag 22. März 2012, 19:00 Uhr, Schweisfurth Stiftung, Südliches Schlossrondell 1, München
Referenten:
- Dr. Roland Gellert, Geschäftsführer des Forschungsinstituts für Wärmeschutz (FiW):
„Energetische Sanierung im Gebäudebestand“ - Manfred Giglinger, Sachverständiger für Gebäudeausrüstung und Energieeffizienz:
„Hemmnisse: Technik, Kosten, Förderung, Steuern, Eigentumsrecht, Mietrecht“ - Juliana Helmstreit, Mediatorin der Stelle für Gemeinwesenmediation der LHM:
„Möglichkeiten der Mediation in Konfliktfällen“
„Wenn über Energiewende geredet wird, dann zumeist über Atomausstieg, Erneuerbare Energien, Wind, Sonne & Co. Dann vielleicht noch über Übertragungsnetze. Kaum jemand redet über das Naheliegende: Energiesparen! Am 24. Mai werden wir eine Veranstaltung haben zu grünen Haushaltsgeräten, also zum Energiesparen im Alltag. Heute geht es um die energetische Sanierung von Gebäuden, Priorität Nummer 1.
Jetzt höre ich schon das Argument, heutzutage könne man doch Passiv-Häuser oder gar Energie-Plus-Häuser bauen; stimmt. Nur, wie viel Wohnraum wird neu gebaut?! Wir müssen an den Gebäudebestand ran, insbesondere an die Häuser aus den 50er, 60er und 70er-Jahren. Denn mehr als 40 Prozent der Endenergie wird für Wärme verbraucht, aber nur 1 Prozent des Gebäudebestands wird energetisch saniert. 1 Prozent bedeutet: Wir brauchen 100 Jahre, den Bestand einmalig energetisch zu sanieren; das kann nicht ernst gemeint sein!
Also: Zunächst werden wir erörtern, inwiefern die energetische Sanierung von Gebäuden erforderlich ist, soll die Energiewende gelingen: Es bleibt viel Raum, Energie effizient und langfristig kostengünstig zu sparen.
Aber wo klemmt es in der Praxis? Technische unbefriedigende Lösungen, hohe Erst-Investitionen, geringe und schwierig zu beantragende Förderung, keine Steuererleichterungen, unwillige Mieter, nicht zur Einigung fähige Eigentümer sind nur einige der Hemmnisse
Manche davon sind lösbar: Die Stadt München bietet dafür in Arbeitsteilung mit Dritten die Möglichkeit zivilgesellschaftlicher Mediation.“
So eröffnete Dr. Helmut Paschlau, Vorstandsmitglied der Umwelt-Akademie e.V., den Diskussionsabend zu „Mutbürger für Energiewende!“ am 22.03.2012 zum Thema „Energetische Sanierung von Gebäuden“. Ein diffiziles Thema, wie sich herausstellte.
Einführung Dr. Helmut Paschlau: Klicken Sie hier
Bei der fünften Veranstaltung der Veranstaltungsreihe „Mutbürger für Energiewende!“ ging es also zunächst ums Dach, neue Fenster, Wärmedämmverbundsysteme, Heizungs-Umwälzpumpen, Wärmebrücken, Schimmel im Wohnzimmer und dergleichen.
Zunächst sprach Dr. Roland Gellert über „Energetische Sanierung im Gebäudebestand“. Gellert ist Geschäftsführer des Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FiW). Zunächst beschrieb er die hohe Bedeutung des Themas: 15 Mio. Ein- und Zweifamilienhäuser und 3 Mio. Mehrfamilienhäuser im Bestand (Neubau 30.000 pro Jahr) verbrauchen 40 Prozent der Endenergiebedarfs Deutschlands, 30 Prozent davon für Warmwasser und Heizung. Will man eine 25 prozentige CO2-Reduktion in Deutschland erreichen, müssten jährlich 2 Prozent des Gebäudebestands energetisch saniert werden, derzeit sind es weniger als 1 Prozent. Insbesondere Gebäude aus den 50er und 60er Jahren müssten dringend saniert werden; in München beispielweise sind 75 Prozent der Gebäude älter als 30 Jahre, ein Modernisierungspotenzial von 10 Mrd. Euro bedeutet. Ein Anreiz: Während der letzten fünf Jahre sind die Netto-Mieten um 5 Prozent gestiegen, die Heizungs-Nebenkosten aber um 25 Prozent, Tendenz steigend.
PräsentationDr. Roland Gellert: Klicken Sie hier
Ziel der Bundesregierung ist die Reduktion des Energieverbrauchs auf 80 Prozent des heutigen Standes bis 2050 und der verstärkte Einsatz von Erneuerbaren Energien in Häusern. Sie will das erreichen mit dem sog. Marktanreizprogramm, finanzieller Förderung mittels Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – 1,5 Mrd. Euro jährlich (statt der zunächst beabsichtigten 5 Mrd. A.d.V.) –, steuerlichen Anreizen (die derzeit vom Bundesrat gestoppt sind, A.d.V.) und Verschärfungen der Vorschriften, insbesondere der Energie-Einsparungs-Verordnung (EnEV).
Energetische Schwachstellen sind in der Regel leicht mittels sog. Energiepistole feststellbar (Folien 31/32): Rot, also wärmeabstrahlend, sind insbesondere Fenster, Türen, Heizkörpernischen, Fensterstürze. Bestimmte Baustoffe und eine Vielzahl mineralischer oder natürlicher Dämmstoffe können helfen, innen oder außen höheren Wärmeschutz zu erreichen. Wer es nicht richtig machen lässt, muss mit Bauschäden rechnen: Schimmelpilze unter der Dämmung, Frostschäden am Außenputz, Wärmebrücken in Raum-Kanten usw.
Die Sanierungskosten liegen bei 500-800€/qm Wohnfläche in Einfamilien-/Zweifamilienhäusern.Steigen die Heizkosten z.B. um 5 Prozent pro Jahr, so rechnet sich eine Vollsanierung eines EFH (1969) unter Einbeziehung von Förderung und KfW-Kredit etwa nach 18 Jahren (Folie 43).
Aus der Praxis berichtete Manfred Giglinger, Sachverständiger für Gebäudeausrüstung und Energieeffizienz, man merkte ihm sein Engagement an. „Hemmnisse: Technik, Kosten, Förderung, Steuern, Eigentumsrecht, Mietrecht“ war sein Thema. Und Hemmnisse gibt es zuhauf, tatsächliche und vermeintliche.
Erster Rat: Nicht alles auf einmal, sondern Schritt für Schritt Neuerungen, die langfristig sinnvoll sind. Mittlerweile fördert die KfW auch wieder Einzelmaßnahmen. Bei neueren Häusern genügt z.B. das bessere Abdichten von Fenstern und Türen, bei älteren sollte erst einmal die Gebäudehülle betrachtet werden (sonst ist die zuerst erneuerte Heizungsanlage möglicherweise bereits überdimensioniert).
PräsentationManfred Giglinger: Klicken Sie hier
Je mehr Entscheidungsträger mitwirken müssen (z.B. große Eigentümergemeinschaften), umso schwieriger werden die Entscheidungen. Mit zunehmender Komplexität ist die Zuziehung eines praxiskundigen Energieberaters (es gebe auch andere, sagt Giglinger selbstkritisch) dringend zu empfehlen; er sollte mit weiteren Gewerken (z.B. Planung, Ausschreibung, Bauleitung) nicht beauftragt werden, sonst bestehe die Gefahr nicht mehr neutraler Beratung.
Maßstab ist die derzeit gültige EnEV 2009; doch diese Vorschrift ist interpretationsbedürftig: So gibt es z.B. keinen gesetzlichen Zwang zur Wärmedämmung der Außenfassaden; auch gelten viele (sinnvolle) Ausnahmen. Ergebnis: Jedes Haus ist gesondert zu betrachten, Standardlösungen sind oft unzureichend. Auch über Förderungen (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Freistaat Bayern, Landeshauptstadt München), günstige Kredite (KfW) etc. kann ein kundiger Berater Auskunft geben; auch hier die wichtigste Regel: Förderung sollte nur als Zubrot verstanden werden, sie verlangt meist höhere Qualitätsstandards und damit höhere Investitionen. Und: Erst Genehmigungsbescheid, dann Baubeginn!
Sehr plastisch stellte Giglinger (ab Folie 16) anhand des Energieausweises dar, wie die Energiesituation eines Einfamilienhauses mittleren Energiebedarfs durch schrittweise Einzelmaßnahmen verbessert werden kann – so bringt ein neuer Brennwertkessel als erste Maßnahme nur 7 Prozent Energieeinsparung; Außendämmung, neue Fenster und Brennwertkessel gemeinsam jedoch kräftige 44 Prozent.
Auf die „vielen Köche, die den Brei verderben können“ ging Juliana Helmstreit, Rechtsanwältin und Mediatorin, in ihrem kurzen Vortrag „Hemmnisse überwinden, Möglichkeiten der Mediation“ ein: Entscheidungen werden überwiegend emotional gefällt, sie brauchen Klarheit, Vielfalt, Partizipation. Professionelle Mediation kann auf der Methodenebene, Sachebene und der persönlichen Ebene helfen. Sie sollte möglichst frühzeitig eingeschaltet werden, wenn Konflikte in einer Eigentümergemeinschaft drohen. Helmstreits Rat: Wer es eilig hat, sollte einen Umweg machen.
Präsentation Juliana Helmstreit: Klicken Sie hier
Die Diskussion mit den 65 Zuhörern – offensichtlich viele „Häuslebauer“ – zeigte zwei Schwerpunkte:
Zuwenig würden die potenziellen Streitereien mit den Mietern beachtet, heute sei fast keine Mieterhöhung mehr rechtssicher durchsetzbar, so die Sorge. Tatsache ist, dass nach BGB schon seit den 1990er Jahren – also lange vor der „Energiewende“ – bei wertverbessernden Maßnahmen bis zu 11 Prozent der verbliebenen Kosten pro Jahr als Erhöhung auf alle Mieter anteilig abgewälzt werden können; dagegen steht für den Mieter die Wertverbesserung bzw. höherer Lebenskomfort und die jährlich abzurechnenden, gesunkenen Heiz- und Warmwasserkosten. Doch oftmals steht das nicht im Verhältnis, weshalb es zu Rechtsstreiten kommt. Der Baufachmann rät dem Vermieter, auf die volle Abschöpfung der 11 Prozent zu verzichten, schließlich werte er seine Immobilien ja auf, was bei Verkauf oder Neuvermietung von Vorteil sein könne; die Moderatorin empfiehlt Konfliktausgleich-Maßnahmen und die Heranziehung des von Haus & Grund und Mieterbund gemeinsam ausgehandelten Mieterhöhungsvertrages als Grundlage für vertrauensvolles Aushandeln des neuen Mietpreises (vielleicht nur in Höhe der tatsächlich erreichten Heizkostensenkung?).
Schäden wie Feuchtigkeit und Schimmel, Spechte in der Dämmung, abbrennende Styropor-Dämmung etc. können doch nicht wegdiskutiert werden! Richtig, diese Schäden gibt es, sagen die Bauleute. Aber es sind Einzelfälle, vielleicht 1 Prozent, die oft von den Medien überbewertet werden. Meist sind Baumängel Ursache solcher Vorgänge. Übereinstimmender Rat: Nicht beim Baumarkt billig einkaufen und selber machen, sondern Fachfirmen einschalten!! Hinterher ist es oft zu spät.
Für Die Umwelt-Akademie e.V., Dr. Helmut Paschlau