"Vor Katowice: Wie steht´s um die Klimapolitik?“
im Rahmen des 12. Münchner Klimaherbst
Montag, 29. Oktober 2018
Referent: Prof. Dr. Andreas Löschel; Lehrstuhl für Mikroökonomik insbes. Energie- und Ressourcenökonomik an der Universität Münster; Leiter der Energie-Expertenkommission der Bundesregierung
Die (gerichtlich, nicht etwa politisch gestoppte) Rodung des Hambacher Forsts und den „Kohleausstieg“, den die sog. Kohlekommission (erst) für 2035-2038 anpeilt; die Nicht-Vorbereitung des angekündigten „Klimagesetz“ der Bundesregierung mit verbindlicher sektoraler CO2-Minderung, das im Koalitionsvertrag zugesagt ist; oder die heutige Meldung, dass die Bundesrepublik wegen Nicht-Erreichen der international vertraglich zugesagten CO2-Minderung möglicherweise 21 Mrd. Euro (!) Strafe zahlen müsse (taz, 29.10.2018).
Es ist ja nicht so, dass man es nicht schon lange gewusst hätte:„Industrieländer bereiten Kohleausstieg vor“ (SZ 09.11.2017): 2006 plante die Britische Regierung noch den Bau neuer Kohlekraftwerke, 2008 erfolgte mit dem „Klimawandelgesetz“ die Umkehr, 2012 die Einführung eines CO2-Mindestpreises (18 Brit. Pfund/t CO2), Herbst 2017 dann das „Aus“ für die Kohle bis 2025. Ähnlich Kanada: Kohleausstieg bis 2029, CO2-Preis 50 Kanad. Dollar bis 2022. 19 westliche Länder wollen aus der Kohle aussteigen, darunter neben C und GB auch Neuseeland, Österreich, Frankreich, Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden, Portugal; bis spätestens 2030.
Deutschland? „Klima: Selbst der vermeintliche Vorreiter Deutschland verfehlt sein Klimaschutzziel. Die Atmosphäre bleibt Abgas-Deponie“ (DIE ZEIT, 14.09.2017): „Heute wird hierzulande mehr dreckige Braunkohle gefördert als in jedem anderen Land der Welt. Sogar mehr als in China!“. „Deutschland verfehlt Klimaschutzziele!“ (AEE 16.12.2017, auf Basis eines Experten-Gutachtens, u.a. mit Prof. Löschel): „Deutschland wird sein Klimaschutzziel, im Jahr 2020 die Treibhausgasemissionen um 40% gegenüber 1990 zu reduzieren, verfehlen“. In den Sondierungsgesprächen zu einer neuen Großen Koalition wird klar: “Klimaschutzziel erscheint kaum noch erreichbar“ (SZ 09.01.2018). „Vom Musterschüler zum schlechten Vorbild“ (SZ 16.01.2018): „Selbst wenn die künftige Regierung es schafft, die „Handlungslücke“ zu schließen, könnte das Geschluder anderen Staaten als Ausrede dienen“. Und „Wo geht’s hin? Die deutsche Wirtschaft will endlich Klarheit!“; „Der letzte Kredit: Auf der nächsten Klimakonferenz zeigt sich, ob Deutschland weltweit Vorreiter bleibt“ (DIE ZEIT, 18.01.2018).
Genau das wollten wir wissen: Wie stellt sich die Bundesregierung auf zu den kommenden Internationalen Klimaschutzverhandlungen COP24 in Katowice, Polen, Anfang Dezember 2018? http://cop24.gov.pl/. Und wie wird die Bundesregierung auf den letzten IPCC-Report von Anfang Oktober reagieren: „Rapid and far-reaching transitions“ in beispiellosem Umfang, in allen gesellschaftlichen Bereichen seien erforderlich, um die völkerrechtlich verbindlichen Klimaziele von Paris zu erreichen?
Und zwar von Prof. Dr. Andreas Löschel, „oberster Energie-Experte der Bundesregierung“ (DIE ZEIT 18.01.2018); u.a. Vorsitzender der „Kommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft““, Mitautor von Berichten des IPCC, Lehrstuhlinhaber des LS für Mikroökonomik insbes. Energie- und Ressourcenökonomik an der Universität Münster.
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All dies beantwortete Löschel in Vortrag und Diskussion mit den etwa 100 Teilnehmer*Innen fulminant, kenntnisreich und auch diskussionsfreudig: Hier finden Sie die Vortrags-Präsentation.
Mit Erläuterungen zum (gescheiterten) Kyoto-Prozess, dem ersten internationalen Klimavertrag, und dem derzeitigen „Pariser Abkommen“ von 2015 mit dem darin enthaltenen Monitoring-Prozess der von der Staaten freiwillig benannten CO2-Minderungs-Selbstverpflichtungen; zu den diversen Transformationspfaden mit (ungewissen) globalen Temperaturentwicklungen; zu den (überschaubaren) Kosten, „die Erde zu retten“. Dann zu den Tatsachen, dass sofortige CO2-Minderungen nicht absehbar sind; dass nie dagewesene Minderungen nötig wären, diese aber nur mit massiven Steigerungen CO2-armer Technologien erreichbar, aber überwiegend weder technisch vorhanden, noch politisch-sozial akzeptiert sind; dass verzögerte Minderungen die Zielerreichung erschweren bis verhindern, jedenfalls erheblich verteuern. Zum aktuellen Stand der Umsetzung gemäß „Deutschem Energiekonzept“ von 2010: Schweres Verfehlen der zugesagten CO2-Minderungsziele im Klimaschutzplan 2050, viel „Rot“ in der „Überwachungsampel“ der Sektorenziele (Ausbau Erneuerbare Energien, CO2- und Brennstoffpreise, Strom-Suffizienz und -effizienz, Ausbleiben von Wärme- und Verkehrswende usw.). Löschel beschrieb abschließend mögliche Auswirkungen auf Stromkosten und Versorgungssicherheit, die aufgrund ausbleibender Anreize fehlende soziale Akzeptanz und die derzeitig „unbequeme Wahrheit“: Ein weiteres Auseinanderfallen von politischen Ankündigungen und tatsächlichen Handlungen und ganz wenig Fortschritt beim deutschen/europäischen Beitrag zur Zielerreichung von max. + 2o C (möglichst jedoch + 1,5 o C). Auch in Katowicze.
Dr. Helmut Paschlau
Jenseits der Frage, ob Deutschland in Sachen „Klimaschutz“ jemals – nicht nur wortreicher, sondern tatsächlicher – „Vorreiter“ in Sachen Klimaschutz war: Genau das wollten wir wissen: Wie stellt sich die Bundesregierung auf zu den kommenden Internationalen Klimaschutzverhandlungen in Katowice, Polen, Anfang Dezember 2018? Näheres dazu finden Sie hier.
Wer die Fakten nachlesen will, sei zum Rückblick auf unsere diesbezügliche Veranstaltung mit AGORA-Energiewende am 22.02.2018 verlinkt.
Zum Weiterlesesn: Finden Sie unter Öko-Institut e.V. folgenden Artikel "Kohleausstieg: gesammelte Fakten, Studien, Grafiken"