Generationengerechtigkeit als Leitbild des neuen Jahrhunderts?
8. April 2008, Schweisfurth-Stiftung
Referent: Dr. Jörg Tremmel
Dr. Jörg Tremmel leitet seit 1997 das gemeinnützige Forschungsinstitut "Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“ und seit 2006 das "Institut für demografische Zukunftsfähigkeit“. Er betreut neben diversen Forschungsprojekten und Symposien auch den Preis für Nachwuchswissenschaftler. Seit April 2004 ist er Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen, u.a. an den Universitäten in Frankfurt, Stuttgart, Freiburg und Düsseldorf, tätig.
Lesen Sie nachfolgend eine Zusammenfassung des sehr anregenden und interessanten Vortrags von unserem ehemaligen Vorstandsmitglied Dr. Dieter Schmid.
Der Begriff Generationengerechtigkeit wird seit Mitte der 90er in der politischen Diskussion immer häufiger gebraucht. Ursprünglich kam der Impuls aus der Sozialpolitik, aufgehängt an der Frage der veränderten Alterspyramide und damit der Frage einer „gerechten Rentenpolitik“ (Raffelhüschen – Vorträge vor dem Initiativkreis Wirtschaft und Diskussion über Zweckmäßigkeit einer CONSULTATIVE nach dem Vorschlag der Umwelt-Akademie). Tremmel ging in seinem Vortrag weit über diesen Spezialbegriff hinaus und liefert eine ganze Reihe gut definierter Kriterien für die Aspekte, die Inhalte und die Ziele der „Generationengerechtigkeit“.
Bei den Aspekten erweitert er den von Raffelhüschen meist benutzten Begriff der „Kohorte“ (ein Geburtsjahrgang im Verlauf des statistisch verfolgten Lebens) auf die „Gerechtigkeit von Generationen, die in Durchschnittsindividuen zusammengefasst sind“. Hier präzisiert er eine „temporale Gerechtigkeit“ (also zwischen gleichzeitig lebenden jungen, mittelalten und alten Menschen) neben einer „intertemporalen“ (also zwischen früher, heute und zukünftig Lebenden).
Zu den Inhalten definiert er eine Reihe von sogenannten Kapitalien, die den ursprünglichen Quotienten von Nutzen zu Aufwand aus der Sozialpolitik erheblich erweitern. Zu diesen gehören vor allem das Naturkapital, bei dem die deutlichste Überschneidung mit der ökologischen Nachhaltigkeit besteht. Daneben werden andere monetäre und nicht-monetäre Inhalte beschrieben, für die er auch eine Art von Gewinn- und Verlustrechnung über die Generationsfolgen vorschlägt.
Gerade aus dieser Überschneidung von ökologischer Nachhaltigkeit und generationsgerechter Betrachtung des Naturkapitals kann er recht einleuchtend die Definition der Ziele ableiten. Sie lauten in seiner Fassung und engster Anlehnung an die Brundtland- Definition als Handlungs-Maxime:
„Handle so, dass die Folgen deines Handelns der nächsten Generation im Schnitt bessere Chancen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse lassen, wie sie die Angehörigen deiner Generation im Durchschnitt besitzen.“
Interessant und im Kern logisch ist die Forderung nach einer Verbesserung (!), die sich nach der Meinung von Tremmel zwingend aus der Tatsache ableitet, dass von den frühesten Anfängen des Homo sapiens bis heute im Schnitt immer eine Verbesserung der Situation des durchschnittlichen Individuums ergeben hat. Anders würden wir heute so leben wie in der Steinzeit.
Aus persönlicher Sicht hat die Konzeption von Tremmel in der politischen Diskussion großen Wert schon deshalb, weil sie einerseits die zur Debatte stehenden Begriffe erheblich präzisiert („Um was geht es überhaupt“) und andererseits auch eine Reihe diskussionswürdiger Ziele beschreibt („Was sollte sein“).
Eine Schwäche sehe ich darin, dass er – gerade in dem von ihm zentral behandelten Thema der „Generationsgerechtigkeit in der Arbeitswelt“ – von einem Begriff der Gerechtigkeit ausgeht, der zwar logisch und juristisch zutreffen dürfte, von den Ergebnissen von Verhaltensforschung und praktischer Personalpolitik aber nicht gedeckt wird.