Bericht Baustellenführung
Wie kann die Dekarbonisierung der Mobilitäts-Infrastruktur gelingen?
Bei der Führung am 15.05.2025 zur Verlängerung der U6 nach Martinsried wurden die Bauprozesse und Herausforderungen detailliert erläutert.
In zwei Jahren soll die Verlängerung der U6 nach Martinsried fertig sein - ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigen Mobilitätssystem in der Region München. Doch wie nachhaltig ist dieses Projekt - gemessen am Maßstab des Ziels der Europäischen Union, die Emissionen des Verkehrssektors bis 2050 um 90 % zu senken? Bei den Bemühungen, die Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren lag der Fokus bislang vor allem auf der Elektrifizierung des Autoverkehrs, der Verlagerung von Fahrten auf Bus und Bahn und auf der Förderung des Zufußgehens und Radfahrens. Doch auch die Schaffung (und Erweiterung) der Infrastruktur für ein nachhaltiges Verkehrsmittel wie die U-Bahn hinterlässt einen großen Fußabdruck: sehr viel Beton und Stahl wird dabei verbaut und bei Erdbewegungen werden Baumaschinen eingesetzt, die noch lange nicht mit grünen Strom arbeiten werden. Wie also gehen die Unternehmen, die die Verlängerung der U 6 bauen, mit dieser Herausforderung um?
Hauptauftragnehmer bei diesem Projekt ist die Fa. Leonhard Weiss, die bundesweit auf allen Sektoren der Verkehrsinfrastruktur tätig ist, u.a. beim Gleisneubau, -ausbau und -umbau, beim Bau von Straßen und Brücken und beim Projektmanagement von Infrastrukturprojekten. Das Unternehmen hat sich ein nachhaltiges und zukunftsorientiertes Planen, Bauen und Betreiben zum Ziel gesetzt. Wie weit dies beim Bau der U 6 nach Martinsried schon umgesetzt werden konnte, war eine der Fragen, die bei der Führung erörtert werden sollte.
Der Projektleiter Robert Bauer empfing uns an der Stelle, an der die Straße Am Klopferweg die Baustelle kreuzt, und erläuterte an der offenen Baugrube die erste Besonderheit des Projektes: die Trasse führt durch eine wieder verfüllte Auskiesung, die eine besondere Stabilisierung des Trassenbodens notwendig macht. Ein Vorteil ist, dass die gesamte neue Strecke in offener Bauweise gebaut werden kann, also keine bergmännischen Tunnel gegraben werden müssen.
Entlang der ca. 1 km langen Trasse bis zum neuen Bahnhof Martinsried konnten wir die verschiedenen Stadien des Tunnelbaus nachvollziehen:
Aushub des Erdreichs zwischen den Spundwänden
Sicherung der Tunnelwände durch quer liegende Betonträger
Bau des Bahnhofs mit Aufbauten für Lüftung und Licht
Spätestens hier wurde deutlich, wie viel Beton mit eingeschlossenem Stahl hier verbaut wird.
Im Baubüro der LEONARD WEISS GmbH & Co. KG erläuterte Steffen Schönfeld die Herausforderungen für seine Industrie bei der Dekarbonisierung des Betons. Wir lernten, dass der Großteil der CO2 Emissionen nicht beim Brennen des Klingers bei Temperaturen von weit über 1000 Grad entsteht, sondern als chemische Reaktion beim Mahlen des Kalksteins. Es gibt Optimierungspotenziale auf allen Stufen des Herstellungsprozesses, u.a. durch den Einsatz erneuerbarer Brennstoffe oder die Verringerung des Klinkeranteil. Doch eine Reduktion auf 0 wird nicht möglich sein. Es wird ein erheblicher Anteil CO2 verbleiben, der durch Abscheiden und Speicherung, bzw. Recarbonisierung "neutralisiert" werden muss.
Steffen Schönfeld erläutert die Perspektiven zur Decarbonisierung des U-Bahnbaus, sitzend: Projektleiter Robert Bauer
Interessant war, zu erfahren, dass von all diesen Reduktionsmöglichkeiten beim Bau der U6 nach Martinsried noch kein Gebrauch gemacht wurde, weil dies der Auftraggeber, die Projektmanagement GmbH & Co. KG (PMG), an der der Freistaat Bayern mit 50,1 %, der Landkreis München mit 33,3 % und die Gemeinde Planegg mit 16,6 % beteiligt sind, nicht gefordert hat. Bauvorhaben mit weniger CO2-Fußabdruck zu realisieren kostet Geld, macht solche Projekte also teurer und das versuchen die Bauherren zu vermeiden. Nun mag es sein, dass im Jahre 2018, als die Projektmanagementgesellschaft gegründet wurde, das Thema der CO2-Emissionen beim Bauen noch nicht so deutlich im Bewusstsein war wie heute - 7 Jahre später. Wir können gespannt sein, wie das Thema bei zukünftigen Infrastrukturprojekten von den Verantwortlichen angegangen wird.
Der Projektleiter Robert Bauer hat im dritten Teil der Veranstaltung noch sehr viele spannende Details zum Bauprozess erzählt - bis hin zu den Herausforderungen besonderer Designideen der Architekten, die für die Gestaltung des Bahnhofs verantwortlich zeichnen. Ideen, die aber dazu führen, dass wir die neuen U-Bahnhöfe dann auch gerne besuchen werden.
Steffen Schönfeld | Geschäftsführer Ingenier- und Schlüsselfertigbau der LEONARD WEISS GmbH & Co. KG |
Robert Bauer | Projektleiter Verlängerung U6, LEONARD WEISS GmbH & Co. KG |
Gerhard Gross | Vorstand Mobilität und Stadtentwicklung, Die Umwelt-Akademie e.V. |
Weiterführende Informationen zum Thema
U6 Projekt, Leonard Weiss
U6 Projekt, Süddeutsche Zeitung
Dekarbonisierung der Zementindustrie
Decarbonisierung of the trasport infrastructure construction
Link zum Vortrag von Steffen Schönfeld:
Unternehmenspräsentation U6 München Rev 1.pptx