Dienstag, 14. Januar 2014
19.00 Uhr
Green City Energy AG, Zirkus-Krone-Str. 10 (Eingang Georg-Schätzel-Str.), 80335 München, 6. Stock (ÖPNV „Hackerbrücke“)

Referenten :

  • Sandra Hieke, Greenpeace; Forstwissenschaftlerin, Kampaignerin Wälder & Biodiversität
  • Rudolf Zwicknagl, Bayerische Staatsforsten; Betriebsleiter von Haigenbrücken im Spessart

Der Saal war voll, es waren mehr Menschen gekommen als Stühle vorhanden waren, und es lag eine neugierige, gespannte Aufmerksamkeit in der Luft, wie die beiden Referenten ihre signifikant kontroversen Standpunkte wohl vertreten würden. Grundlage dieser Veranstaltung war die provokative und heiß diskutierte Douglasien-Kampagne von Greenpeace: Nachdem bayerische Staatsforsten im Spessart amerikanische Douglasien in den Buchenwald pflanzten, um diesen in Richtung Klimaerwärmung fitter zu machen, rissen Greenpeacer die jungen Douglasienbäume wieder aus.

Es folgten zwei spannende Stunden mit ganz unterschiedlichen Positionen, beide fachlich fundiert und kompetent präsentiert.

Frau Hieke begann ihren Vortrag mit Bezug auf diese umstrittene Aktion. Greenpeace geht es ausdrücklich um den Fortbestand der stabilen, weit über hundert Jahre alten geschlossenen Buchenwälder, die nur noch 3 % unseres Waldes ausmachen. Die Buche gehört zu den seit Jahrhunderten klimatisch bestens für unsere Breitengrade angepassten Baumarten, während es sich bei den Douglasien um Baumarten handelt, die an die Klimaeinflüsse ihrer Herkunft angepasst sind. Sie brauchen eine lange Vegetationszeit, vertragen weder starke Hitze noch Dürre und ertragen lediglich milde, frostarme Winter. Nur sehr wenige Regionen in Bayern bringen diese speziellen klimatischen Voraussetzungen für den Anbau der Douglasien mit (wie z.B. der Spessart). Dort, wo es in Bayern heute gleichmäßig warm ist und es gemäßigte Niederschläge gibt, könnten mit dem Klimawandel und der damit einhergehenden Trockenheit die Douglasien unter Wasserknappheit leiden. Pflanzt man sie heute in kühlere Höhenlagen, um sie heute schon an den optimalen Standort von „morgen“ zu setzen, werden sie in ihrer Wachstumszeit mit der kurzen Vegetationsperiode und Frösten zu kämpfen haben.

Außerdem legte Frau Hieke die Problematik dar, dass nur die Küstendouglasie in unseren Breitengraden stabil ist, während die Inlands-Douglasie hier eingeht. In der Vergangenheit hat man diesen Unterschied nicht beachtet, und so kommt es, dass sowohl Küstendouglasien als auch Inlands-Douglasien hier angepflanzt wurden.
Als besonders dramatisch betrachtet sie die Tatsache, dass es sich bei Douglasien um eine invasive Baumart handelt, deren Verbreitung durch kilometerweiten Samenflug geschieht und daher nicht kontrolliert werden kann. Somit sieht sie durch die Douglasie potentiell eine Gefährdung für bestehende Baumbestände. Als „Vorteil“ der Douglasie wird gerne angeführt, dass die Douglasie unter keinem Schädlingsbefall leidet, nachdem es sich hier um eine nicht heimische Baumart handelt, und der Anpassungsprozess der heimischen Tierwelt erst begonnen hat. Aber wer weiß, wie es damit in 100 Jahren aussieht? Ihr Plädoyer gilt dem Erhalt der heimischen Buchenwälder, nachdem diese unter jetzigen und zukünftigen Klimabedingungen aufgrund ihrer Klimahülle stabil sein werden. Weitere Informationen zu der Position von Greenpeace sind aus dem Informationsblatt von Greenpeace im Internet zu entnehmen: Klicken Sie hier

Herr Zwicknagel gab in seinem darauf folgenden Vortrag einen sehr guten allgemeinen Überblick über die Wald-Altbestände, ältere und jüngere naturnahe Waldbestände sowie übrige nicht näher klassifizierte Bestände in Bayern. Er legte dar, dass die Bayerischen Staatsforsten gesetzlich verpflichtet sind, den Staatswald unter Beachtung der Grundsätze einer naturnahen Forstwirtschaft in vorbildlicher Weise zu bewirtschaften. Die im Juli 2008 veröffentlichten Waldbaugrundsätze der Bayerischen Staatsforsten konkretisieren diese gesetzliche Bestimmung und stellen damit eine wesentliche Rahmenvorgabe für das Handeln im Staatswald dar. Bewirtschaftungsziel sind dabei standortgemäße, naturnahe, stabile und leistungsfähige Mischwälder. Diese Wälder besitzen in der Regel einen hohen Strukturreichtum, sind anpassungsfähig gegenüber Umweltveränderungen, zeigen ein hohes Regenerationspotenzial und dienen einer Vielzahl heimischer Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum. In einem integrativen Ansatz berücksichtigen die Bayerischen Staatsforsten mit ihrem waldbaulichen Konzept der naturnahen Waldbewirtschaftung die Belange des Naturschutzes und anderer Waldfunktionen auf der gesamten Staatswaldfläche. Schutzgebiete und wertvolle Einzelobjekte erfahren dabei besondere Aufmerksamkeit. Dies ist der Rahmen ihres Handelns, und unter dem Gesichtspunkt der Artenvielfalt und der Klimastabilität wird die Douglasie als wertvoll erachtet und mit maximal 5% in den Wald eingebracht. Die Invasivität stellt nach seinen bisherigen Erfahrungen und Studien noch kein Problem dar. Bei diesen Studien wurde untersucht, ob sich die Douglasie im direkten Umkreis der Bepflanzungen ausbreitet, was nicht bestätigt werden konnte. Die Douglasie ist im heimischen Wald auch deshalb begehrt, weil sie ein ergiebiger Holzlieferant mit gutem Wuchs ist. Mit Fichten gibt es wegen der jahrzehntelangen Monokultur zunehmende Probleme hinsichtlich Schädlingsbefall und deren zukünftiger Klimastabilität, und so hofft man darauf, dass man mit der Douglasie schon heute für morgen vorbauen kann. Der bayerische Staatsforst steht auch unter der Anforderung, ökonomisch zu arbeiten, und die gestiegene Nachfrage nach Holz als Baustoff sowie als Brennstoff zu gewährleisten. In diesem Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie wurde die Douglasie als nicht heimische Baumart ausgewählt, um diesen Anforderungen auch zukünftig gerecht zu werden. Weitere Informationen zu den Staatsforsten und deren Leitlinien sind hier abrufbar.

In der anschließenden Diskussion wurden Fragen zum Bestand der Buchenwälder beantwortet, die Definition von „naturnah“ in den Bayerischen Staastforsten hinterfragt sowie auf mögliche zukünftige Probleme durch Einbringen nicht-einheimischer Arten hingewiesen.

Beide Referenten waren sich zwar über die sich zukünftig verändernden Bedingungen, in denen der Wald bestehen muss, einig, jedoch wählen beide unterschiedliche Wege, damit aus heutiger Sicht vorausschauend umzugehen. Greenpeace wünscht, dass 10% des alten Bestandswald aus der forstwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen werden, dem stehen jedoch die wirtschaftlichen Interessen sowie die immer größere Nachfrage nach Holz auf Seiten der Verbraucher an die Staatlichen Forstverwaltung entgegen.
Wer nun die zukunftsfähigere Strategie für die zu erwartenden Klimaveränderungen vorschlägt, lässt sich nur schwer beurteilen, nachdem die Folgen heutiger Entscheidungen in der Forstwirtschaft erst in 50 oder 100 Jahren Auswirkungen zeitigen.

Von keiner Partei wurde diskutiert, dass ein großer Waldbestand die beste Klimaanlage für jede Region darstellen würde, und sich dadurch der Klimawandel selbst beeinflussen ließe. Auch wurde nicht darüber gesprochen, welchen Einfluss der dezimierte Waldbestand auf die Entwicklung des Klimas hatte, hat und haben wird. Stattdessen versucht man – aus heutiger Sicht verständlich - Lösungen zu finden, die den jetzigen wirtschaftlichen Anforderungen Genüge tun. Welche Konsequenzen heutige Entscheidungen für zukünftige Generationen haben werden, tritt hinter die Aspekte von Wirtschaftlichkeit zurück – und das hat möglicherweise für die Klimaentwicklung für die folgenden Generationen fatale Konsequenzen. Dieser – tiefergehende – Ansatz wäre vielleicht Gesprächsstoff für eine zukünftige Diskussion.
Beide Referenten boten eine überzeugende Darstellung ihrer Sichtweisen, fachlich kompetent und verständlich – auch für nicht Forstwirte – vorgetragen. Eine spannende Kontroverse, und, hätte man jeweils nur einen Referenten gehört, hätte man jedem zu 100% recht geben müssen. Ein wirklich inspirierender Austausch mit vielen anregenden Beiträgen, die zum Nachdenken und Weiterfragen animieren.

Beiden Referenten möchten wir herzlich für Ihr Kommen danken, und freuen uns auf weitere spannende Veranstaltungen mit ihnen.
Was gewinnen  oder verlieren der Forstwirt und die Gesellschaft?

Es sind mit fünf Prozent jungen Douglasien ein paar Festmeter gutes Bauholz als Ersatz für die ausfallende Fichte. Dafür aufgerissen und riskiert wird das Ökosystem der bestehenden alten und sogar bestens klimastabilen geschlossenen Buchenwälder. Leiden sie Schaden, entsteht ein viel größerer Verlust für die Gesellschaft.

Lesen Sie hierzu auch: "Darf die amerikanische Douglasie in den deutschen Wald?" von Rudolf Zwicknagl, Forstbetrieb Heigenbrücken