in Kooperation mit

Hochschule für Politik                

und Münchner Hochschultage    

 

31. Mai 2017

Referentin: Prof. Dr. Lisa Herzog, Professur für Political Philosophy and Theory, Hochschule für Politik an der Technischen Universität München (TUM)

Wie lange noch glauben wir an das „Mantra des Wachstums“? Das war die provozierend einleitende Frage von Frau Professor Herzog. Denn allgemein wird Wachstum als Voraussetzung für Arbeitsplätze und diese als Voraussetzung für Lebensstandard und ein „gutes Leben“ gesehen. Die Frage war also: Bedeutet ein Ende des Wachstums ein Ende des guten Lebens? Dies leitet der klassische Neoliberalismus ab u.a. aus dem Werk von Adam Smith „Wohlstand der Nationen“, erschienen 1776, dem Beginn der National- Ökonomie als Wissenschaft. Smith zeigte als erster die wirtschaftliche Kraft der Spezialisierung der Arbeit in Kombination mit großen Märkten und den Zwang zum Wachstum als Voraussetzung für Wohlstand. Dessen heutige Messgröße Bruttosozialprodukt/BIP zeigt sich allerdings heute als eine zu hinterfragende Näherung, denn die heutigen Ansprüche an die Ökologie, die Vermögensverteilung und insbesondere die Qualität des Lebens im Zusammenspiel mit der Erwerbsarbeit werden so nicht erfasst.

Prof. Herzog machte deshalb zunächst die Lebenseinteilung von „Arbeit für Einkommen“ und „Konsum in der Freizeit“ als eine unbefriedigende Grundlage bewusst und führte den anspruchsvolleren Begriff „guter Arbeit“ als Ziel ein. Der Begriff kombiniert das geldliche Einkommen mit dem Sinn der Arbeit, der sozialen Anerkennung, mit dem Erleben von Gemeinschaft und mit der Weiterentwicklung eigener Fähigkeiten und postuliert das erstrebenswerte Ziel der Arbeitswelt als „gute Arbeit“ in dieser Kombination.

Da die klassische Arbeit verdrängt wird durch „den Computer“, nehmen zusätzlich die Fragen der Umverteilung des Eigentums und der Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft zu. Die nun schon langjährige Stagnation der Einkommen aus Arbeit bei gleichzeitiger enormer Zuwachs der Einkommen aus Kapital wurde in einer Grafik, die die letzten Jahrzehnte darstellt, bewusst.

Hingewiesen sei auf die neue Biografie über Adam Smith von Gerhard Streminger, das die Verkopplung seiner Wirtschaftslehre mit seiner zuvor erschienenen „Theorie der ethischen Gefühle“ neu herausarbeitet. Schon Adam Smith machte sich Sorgen um die Qualität hochspezialisierter Arbeit und deren Wirkung auf Urteilsfähigkeit, soziale Einbindung und politische Mitsprache:
„Jemand, der tagtäglich nur wenige einfache Handgriffe ausführt, verlernt, seinen Verstand zu gebrauchen und verliert seine gesunde Urteilsfähigkeit. Der Staat muss der unsichtbaren Hand des Marktes entgegenwirken - und zwar durch Bildung“
Zeitaktueller konnten Adam Smith und auch dieser Vortrag nicht sein! Und auch Smith hatte schon geregelte Märkte gefordert mit entsprechender Skepsis zu übergroßer Freiheit und unkontrollierter Vermögensentwicklung..... Freihandel muss sehr behutsam eingeführt werden, denn der freie Markt fördert nicht das Gemeinwohl. Vielmehr ist dazu nur ein geregelter Markt imstande. Der unsichtbaren Hand des Marktes müssen durch die sichtbare Hand des Staates Leitplanken gesetzt werden, um möglichst ideale Bedingungen zu schaffen für hohe Löhne, niedrige Preise, knappe Profite und die Bildung aller.“ (S.175ff)

In der Diskussion vertiefte Eigentumsfrage war provoziert durch die Grafik auf Folie 7 über die enorme Veränderung der Unterschiede der Einkommen aus Arbeit und Vermögen. Da nach der Quelle gefragt wurde, hier für Fachleute und Experten der Link zur amerikanischen Veröffentlichung zur „Neuordnung der Fiskalpolitik“ (siehe S.14): http://www.levyinstitute.org/pubs/wp_772.pdf

PräsentationProf. Dr. Lisa Herzog: Klicken Sie hier