in unserer Veranstaltungsreihe „Gesundheit und Eigenverantwortung"

In Kooperation mit dem Bündnis für saubere Luft in München (Für weitere Informationen klicken Sie: hier)

6. März  2018

Referent: Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Bundesgeschäftsführer   

 

Der Abend begann mit einer Überraschung: Mit einem gekonnten Poetry Slam von und mit Julius Althoetmar zum Boxkampf „Energiewende gegen Wirtschaftsinteressen“. Applaus!

Es geht ja auch um ein hochaktuelles und hochstreitiges Thema, im timing kann man das kaum toppen: Heute:

  • Exakt eine Woche nach dem bahnbrechenden Urteil des BVerwG Leipzig vom 27.02.2018, das wegen der zu hohen NO2-Belastungen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in deutschen Städten für zulässig und unabdingbar bestätigt hat.
  • Frau Krautzberger, die Chefin des Bundesumweltamts, fordert zwei „blaue Plaketten“ (eine hell-, eine dunkel-blaue) als – abgestufte – Voraussetzungen für die notwendigen Fahrverbote von Dieselfahrzeugen in deutschen Städten.
  • Der designierte Bundesverkehrsminister Scheuer, CSU, lehnt blaue Plaketten ab, da sie zu Fahrverboten in Städten führen würden, die man ja nicht wolle; wen er mit „man“ meinte, ließ er ebenso offen, wie die von ihm angekündigten Reduzierungen der NOx-Belastungen.
  • In SZ und MM liefern sich Münchens OB Dieter Reiter versus der Bayer. Umweltminister Marcel Huber und der Bay. Ministerpräsident in spe, Markus Söder, politische Spielchen, die städtischen Busse seien Schuld an den hohen NOx-Belastungen in München – so CSU; versus, die Busse machen nur <1% aus – so SPD-OB.
  • Und was macht Münchens „Stadtministerin für Gesundheit und Umwelt“? Sie legt dem Stadtrat eine Beschlussvorlage vor, wieviele Verbotsschilder man für ein Fahrverbot bräuchte und was das denn kosten würde. Den Stadtrat mit Schilderzählen zu beschäftigen, tut man, wenn man kein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in München will. (Das war allerdings nicht heute, sondern sechs Wochen zuvor.)

Der allseits bekannte Referent, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), Jürgen Resch, mag übrigens Betrug nicht, wie er in einem Interview mit der ZEIT(den Artikel finden Sie hier.) begründete; Betrug wie z.B. durch große Teile der deutschen Autoindustrie an ihren Kunden. Der wohl bestgehasste Gegner der Autoindustrie. „Der nervt“, wie Kritiker sagen; wohl nerven muss und ganz ganz erfolgreich tatsächlich nervt. Notfalls mit beinharten Argumenten auch durch alle Gerichtsinstanzen – mit durchgängigem Erfolg bis zum höchsten deutschen Verwaltungsgericht. Oder in Stellungnahmen wie der vom gestrigen 05.03.2018 zur jüngsten Fortschreibung des sogenannten Luftreinhalteplans der Bayer. Staatsregierung für München – ein absolutes Lese-MUSS. (den Link zur Stellungnahme der DUH finden Sie hier.)

Denn Luftverschmutzung durch NOx ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Im Oktober 2017 veröffentlichte die EU-Kommission die Zahl der jährlichen Todesfälle durch Stickstoffdioxid: Mit 12.860 vorzeitigen Todesfällen sterben durch dieses Abgasgift – statistisch gesehen – jährlich viermal so viele Menschen wie durch Verkehrsunfälle. Der „Verursacher Nr. 1“ ist längst bekannt: Der motorisierte Autoverkehr; moderne Dieselmotoren bis inkl. „Euro-6“ erzeugen durch höhere Verdichtung und Verbrennungstemperatur des Diesel mehr Stickoxide als 25 Jahre alte Euro-1-Diesel-Pkw.

Doch die Bundesregierung versäumt es – seit vielen Jahren und in bester Kenntnis der (technischen, ökologischen und gesundheitlichen) Zusammenhänge –, die deutschen Autohersteller in die Pflicht zu nehmen und wirkungsvolle technische Nachrüstungen anzuordnen; ja, auf europäischer Ebene verhindert sie  beständig schärfere Grenzwerte und Messverfahren. Im Gegenteil, auch strafrechtlich relevante Betrügereien der Chefs der Autokonzerne – siehe USA – werden durch Wegschauen von Aufsichtsbehörden und Politik geradezu belohnt.

Ausgerechnet München führt weitab die Negativliste aller deutschen Städte mit Überschreitungen der Grenzwerte für Stickstoffdioxid an. An 260 Straßen im Stadtgebiet wird der Stockoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft regelmäßig überschritten – das Aufstellen neuer Messröhrchen durch Private zeigt, dass dies eben nicht nur für die wenigen offiziellen Mess-Standorte wie dem Stachus gilt, sondern fast flächendeckend an allen größeren Strassen (was, nach eigenen Bekundungen, den Oberbürgermeister selbst überrascht haben soll).

Grenzwerte, die seit dem 01. Januar 2010 gelten und damit seither (statistisch) rund 5.000 Münchner*innen das Leben gekostet haben!

Denn auch in und für München versagt die Politik: Eine dringend notwendige Verkehrswende zur deutlichen Reduktion des Auto- und Dieselverkehrs in der Stadt wird bis heute durch die im Rathaus das Sagen habenden Parteien „erfolgreich“ verhindert. Nun bleiben nur noch Fahrverbote, um die gesetzlichen Grenzwerte schnellstmöglich einzuhalten. Diese umzusetzen aber verweigert sich die Bayerische Staatsregierung – und wurde dafür rechtskräftig zur Zahlung von Zwangsgeldern verurteilt; nun ist Zwangshaft angedroht. Ihre Haltung des versuchten „Aussitzens“ – nochmals dokumentiert in der o.g. Fortschreibung des „Luftreinhalteplans“ für München – ist durch das Urteil des BVerwG jetzt krachend gescheitert.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und ihr Geschäftsführer Jürgen Resch haben trotz massivster Gegenwehr (bis hin zu Daten-Einbruch und persönlicher Bedrohung) durch jahrelange Rechtsverfahren – ohne eine einzige Klage verloren zu haben! – den Stein für Luftreinhaltung in Deutschland massiv ins Rollen gebracht. In 146 Städten stehen nun Klagen zur Durchsetzung der – zulässigen und notwendigen – Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge an.

Leben wir in einer „Bananenrepublik“, in der staatliche Behörden die gesetzlichen Bestimmungen je nach gusto einhalten oder nicht? So wie es mächtige Wirtschaftsinteressen vorgeben? Das war die eigentliche, wenn auch unausgesprochene Frage über der gesamten Veranstaltung. Ihre Beantwortung steht aus: Es gilt, sich weiter aktiv für Gesundheits- und Umweltschutz und, ja leider, auch für den Erhalt des Rechtsstaats einzusetzen.

Das machte Resch auch in der breiten Diskussion deutlich: Den Link zur Präsentation finden Sie hier.  

Dr. Helmut Paschlau    

 

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Bundesgeschäftsführer