Donnerstag 14.03.2013, 19:00 Uhr, Schweisfurth-Stiftung, Südliches Schlossrondell 1, München

Referenten:    

  • Sascha Samadi, Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie;
    „Was kostet uns die Energiewende?“
  • Harald Uphoff, Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE), Geschäftsführer
    „Warum steigen die Strompreise?“

Mitte  vorigen Jahres begann eine Debatte darüber, dass die Erneuerbaren Energien die Strompreise in die Höhe treiben würden. DIE ZEIT titelte am 23.08.12: „Die Strompreislüge“; „Von wegen grüne Energie ist teuer. Die Politik ist schuld an hohen Preisen“; und wer istdarunter abgebildet? Die Kanzlerin.
Nichts verunsichert in der Klima- und Energiedebatte seit einem Jahr mehr als der Streit über Energiekosten und -preise. Ausgerechnet der Bundesumweltminister will das Tempo der Energiewende und den Anstieg der Strompreise „wegen der Erneuerbaren“ eingrenzen; nächste Woche soll der x-te „Strompreis-Gipfel“; schließlich ist Wahlkampf.

Was aber kostet uns die Energiewende wirklich, wenn alles volkswirtschaftlich richtig addiert wird? Klar: Es muss in eine neue Infrastruktur investiert werden; neue Anlagen, Netze, Speicher sind teuer. Aber sind am Ende die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten aus der erneuerbaren Energiewirtschaft höher als die der heutigen, fossil getriebenen – oder vielleicht gar niedriger? Insbesondere wenn man sich vom galoppierenden Ölpreisanstieg abkoppelt und die externen Kosten aus den Umweltschäden der Atom- und Kohle-Ära den Verursachern korrekt zurechnet – und nicht den Steuerzahlern, wie bislang? Bereits heute sind je kWh am kostengünstigsten Wind, gefolgt von Sonne und Gas; Kohle, Öl und Atom sind deutlich teurer, insbesondere, wenn die externen Kosten – rot – dazu addiert werden.

Aber warum steigen dann die Strompreise auf der Rechnung privater Haushalte? Weil diese wesentlich an den steigenden Öl-Preis gekoppelt sind. Weil wir Privat-Haushalte die Mehrkosten aus Stromkosten-Steigerungen tragen müssen, die der Industrie erlassen sind. Weil wir das Risiko aus dem Anschluss der offshore-Windanlagen tragen, nicht die eigentlich zuständigen Investoren. Weil die Haushalte (und nicht die Wirtschaft) die Differenz der stark fallenden Preise für Erneuerbaren Strom und den Gestehungskosten herkömmlicher Elektro-Wirtschaft via Erneuerbare-Energien-Umlage bezahlen. Weil wir den Anteil der Industrie an den Netzentgelten tragen – die jetzt gerichtlich als von Anfang an rechtswidrig beurteilt wurden. Weil der Staat obendrein noch Umwelt- und Mehrwertsteuern auf die steigenden Strompreise verlangt.

Aber auch da Relativierung: Die Gesamtenergiekosten des deutschen Drei-Personen-Musterhaushalts steigen seit dem Jahr 2000, am meisten wegen Benzin und Heizöl; Strom ist schon deutlich weniger steigend. Die EEG-Umlage fällt kaum noch ins Gewicht; doch nur über die wird gestritten, die Ölkonzerne bleiben außen vor.                            

Soweit die Einführung des Moderators, Dr. Helmut Paschlau, in die Veranstaltung zu Kosten und Preisen der Energiewende im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Mutbürger für Energiewende!“.

Die Antworten auf die gestellten Fragen gaben die beiden Referenten und die anschließende lebhafte Diskussion mit den knapp 60 TeilnehmerInnen.

Samadi betonte zunächst, dass die Energiewende bereits mit der Beschlussfassung zum Einspeise-Gesetz 1991 und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2000 (und nicht erst mit dem Atomausstieg-Entscheidung 2011) begonnen habe (Folie 3); noch 1993 hatte die Stromwirtschaft mit Anzeigen geworben, die Erneuerbare Energien (EE) könnten max. 4% des Strombedarfs erzeugen (F 5) (heute sind es bereits 23%). Zu berechnen sei folglich die Differenz der preisbereinigten volkswirtschaftlichen Kosten eines „Weiter-So“-Pfades und diverser „Erneuerbare“-Szenarien bis 2020/2050 (von denen er einige darstellte, F 7).  

100% EE unterstellt sind die jährlichen Gesamtkosten für Strom und Wärme in D mit rd. 120 Mrd. € heute etwa gleich hoch (!!!) wie die Strom-/Wärmekosten des heutigen atomar/fossil/regenerativen Mixes. Während die Kosten des derzeitigen Strom-/Wärme-Mixes vom Preis für fossile Ressourcen abhängig sind und bei einer Steigerungsrate von z.B. 3%/a  bis 2050 auf die doppelten Kosten pro Jahr (!) steigen, bleiben sie bei dem EE-Pfad konstant (F 12).

Bei Preis-Anstieg fossiler Energieversorgung und ohne Energiesparmaßnahmen steigt die Differenz „Gesamt-Stromkosten erneuerbar“ zu „Gesamt-Stromkosten fossil“  von heute + 2 Mrd. € auf + 16 Mrd. € (2015), fällt auf 0 im Jahr 2025 und sinkt dann rapide darunter (F 13). Bedeutet: Die nächsten 12 Jahre ist der „Erneuerbare“-Pfad vorübergehend teurer, ab 2025 (deutlich) billiger als der „fossile“-Pfad.

Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt machen die höheren Kosten der Energiewende von bis 16 Mrd. €/a etwa 0,8% aus, bezogen auf die deutschen Konsum-Ausgaben sind es 1,3%. Dafür bekommen wir: Verringerung der CO2-Emissionen, Reduzierung des (kostentreibenden) Klimawandels, Abkopplung von begrenzten fossilen Rohstoffen, Schaffung von 380.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen, Wettbewerbsvorteile im Erneuerbare-Energien-Markt weltweit, Verringerung des Risikos aus Atomkraftwerken (Fukushima) (F 19 ff.).  Ist das zu teuer??

Präsentation Sascha Samadi: Klicken Sie hier

Wie Samadi rechnete Uphoff nochmals vor, was eines der großen Ziele der Energiewende ist: Bei der deutschen Stromerzeugung mit rd. 600 TWh pro Jahr beträgt der erneuerbare Anteil 1990 etwa 20 TWh und voraussichtlich 280 TWh in 2020; gleichzeitig sinkt die CO2-Emission von 350 Mio. t auf rd. 200 Mio. t, eine ganz erhebliche Reduzierung (F 9).

Uphoff hatte dann den schwierigen Part zu erklären, warum trotz volkswirtschaftlich fallender Kosten die Strompreise auf den Rechnungen der Privat-Haushalte steigen:  Zunächst stellte er die Kostenbelastung aus Strom nach Verbrauchertypen dar: Stromintensive Industriebetriebe zahlen durchschnittlich 0,052€/kWh, Industriebetriebe mittlerer Größe 0,121€/kWh und Haushaltskunden 0,264€/kWh, als das Fünffache (!) (F 4).

Von den diesen 26,4 c/kWh für Privathaushalte entfallen 56%  auf Erzeugung, Transport und Vertrieb, 30,6% auf Steuern und Abgaben und nur 13,6% (= 3,6 c/kWh) auf die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, die ach so streitige EEG-Umlage (F 12). Nicht die EEG-Umlage ist also verantwortlich für die jüngsten Strompreissteigerungen, sondern in erster Linie die Abhängigkeit vom Ölpreis in der Erzeugung, aber auch (Überleitungs-) Transport und die erhebliche Steuerlast. Die EEG-Umlage entspricht gerade 0,3% (!) am deutschen Warenkorb; 28% sind Wohnen und Heizen, 15% sind Freizeit, Unterhaltung, Kultur etc. und 14% Ernährung, Getränke, Tabak – Gesundheit und Bildung übrigens nur 4,7%  –; die so heftig umstrittenen „hohen Stromkosten“ machen 2,2% des deutschen Warenkorbes aus (F 13). Während die Stromgestehungskosten typischer Anlagen Erneuerbarer Energie deutlich sinken, steigen die aus fossilen Quellen (F 14). Da waren Samadi und Uphoff sich völlig einig.

Durch die sinkenden Gestehungskosten aus erneuerbaren Quellen sinken die Marktpreise an den Strombörsen (teurere fossile Kraftwerke kommen seltener ans Netz) – „Merit-Order-Effekt“ –, damit aber auch die Differenz zu den höheren Einspeisevergütungen für Sonne, Wind & Co. aus dem EEG. Diese Differenz wird über die EEG-Umlage bezahlt, deshalb steigt sie (F 16).

Das liegt am gesetzlichen System: Sinkende Kosten und Marktpreise aus Erneuerbaren führen zu steigenden Umlagen und Strompreisen für Privathaushalte und gleichzeitig fallende Strompreise für die Industrie! Das könnte man (gesetzlich) ändern. Uphoff machte abschließend hierzu etliche Vorschläge (F 19).

Präsentation Harald Uphoff: Klicken Sie hier

Die in der folgenden Diskussion dann stark reflektiert wurden: Möglicherweise müssen auch die Erneuerbaren Energien künftig einen Beitrag zur Absenkung der EEG-Umlage leisten; sicherlich nicht durch den von Umweltminister Altmaier vorgeschlagenen „Soli“ (= enteignungsgleicher Eingriff in bestehende gesetzliche Regelungen), aber vielleicht eine stärkere Vergütungs-Absenkung für einzelne EE, deren Gestehungskosten schon stark gesunken sind und die keiner Anfangs-Subventionierung durch die Haushaltungen mehr bedürfen.  

Im Vordergrund steht aber die Befürchtung, dass mit der „Keule“ angeblich zu teurer Erneuerbarer Energien die Energiewende insgesamt abgewürgt wird (und von bestimmten Kreisen auch abgewürgt werden soll – in diesem Jahr gehen in Deutschland sechs neue Kohlekraftwerke ans Netz!). Zur Faktenlage gehört nämlich auch, dass Kohle- und Atomanlagen nach wie vor massiv subventioniert werden – allerdings durch die Gesamtheit der Steuerzahler und nicht nur durch die privaten Stromverbraucher (!) stellte Dr. Helmut Paschlau abschließend klar.