Gutes Zusammenleben mit Fuchs, Marder und Co. durch ein professionelles Wildtiermanagement

Donnerstag, 3. Juli 2014
19.00 Uhr
Green City Energy AG, Zirkus-Krone-Str. 10 (Eingang Georg-Schätzel-Str.), 80335 München, 6. Stock (ÖPNV „Hackerbrücke“)

Referent: Dr. Christof Janko,  Fachmann für Wildtiere und Wildtiermanagement

Wildtiere sind aus unseren Städten nicht wegzudenken und haben zweifelsfrei ihren Charme. Wer lässt sich nicht berühren beim Zusammentreffen und Erleben mitten in der Stadt, etwa von einem jungen Fuchs beim Spielen oder frisch geschlüpften Entenküken hinter ihrer Entenmama watschelnd? Gerade in der Stadt ist das spontane Naturerlebnis oft ein Mangel. Verbundenheit von Tier und Mensch beschränkt sich insbesondere auf Hund, Hamster oder andere Haustiere. Wildtiere bieten einen anderen Bezug und eine Verbindung zur Natur, spontan, unvorhersehbar und vielfältig. So wertschätzen Menschen Tier-Begegnungen, sofern sie keine Angst bekommen oder keinen Schaden befürchten. Kinder sind regelrecht begeistert, wenn sie ganz überraschend einem Vogel, einer Maus oder gar einem Fuchs begegnen. Die Biodiversität (die Vielfalt der Arten und der Lebensräume) in Städten ist eine tragende Säule des Naturschutzes.

Die ansteigende Vielfalt von Wildtieren in Städten ist ein weltweites Phänomen. Anpassungsfähige Tierarten profitieren von der Ausweitung unserer Metropolen und der „Urbanisierung“ unserer Siedlungen. Für die Arten, die es gelernt haben, sich zurechtzufinden, ist der Lebensraum Stadt (Siedlungsgebiet) mit günstigen klimatischen Gegebenheiten, üppigem Futterangebot, geringem Feinddruck und darüber hinaus als jagdfreie Zone optimal. Waschbären klettern den Regenfallrohren entlang, um in ihre Verstecke im Dachboden zu kommen, Füchse werfen ihre Jungen in trockenen Kellerschächten, Enten brüten auf Flachdächern von Hochhäusern geschützt vor Hunden, Ratten oder Mardern. Es hat lange gedauert, nun erobern nach Fuchs und Gans auch Wildschwein und Waschbär diese urbanen Lebensräume aus Menschenhand. Fuchs, Marder und auch der Waschbär fühlen sich in Städten pudelwohl. Auch sie leben hier in viel höherer Dichte und mit anderem Sozialverhalten als in ihren ländlichen Revieren.

Wir selbst bemerken nur die wenigsten von unseren tierischen Nachbarn. Sie stören auch nicht weiter, wenn sie keinen Lärm, Dreck oder sonstigen Schaden anrichten. Beispiele für mögliche Störungen sind die Verkotung von Bauwerken oder Freiflächen und eventuell dadurch entstehende wirtschaftliche Schäden, Sorge vor humanpathogenen Krankheiten, die von Wildtieren übertragen werden könnten, die aktive Bedrängnis durch gezähmte Wildtiere und die allgemeine Besorgnis vor der Wildheit von Tieren. Dann kommt seitens der Bevölkerung der Ruf nach einer Regelung.

Kann ein Abschuss zu einer Lösung führen? Was kann man hier tun, das ist eine Schlüsselfrage, mit der alle Kommunen konfrontiert werden. Einfach abschießen „funktioniert“ in einzelnen Situationen, zum Beispiel wenn es sich um einzelne auffällige, kranke oder sonderhaft störende Tiere handelt, wie das Wildschwein, das seine „natürliche“ Scheu verloren hat und Passanten mit Einkaufstaschen anbettelt; der Fuchs, der in Wohnungen geht oder von Reudemilben befallen kurz vor dem Verenden ist. Ein ernsthaftes Problem für die Betroffenen entsteht, wenn der Fuchs das Lieblingskaninchen aus dem  Garten holt, oder wenn die geliebte kleine Hühnerschar dem Marder zum Opfer fällt. Hier hilft Abschießen nur kurzzeitig, da der nächste „Feind“ das freigewordene Revier besetzt und das tut, was seiner Natur entspricht. Das Problem also bleibt.

Die Problemursachen oder „Systemunverträglichkeiten“ zu erfassen und mit den beteiligten Menschen Lösungen zu finden, ist hier zukunftsweisend.
Die Wirkungen eines Abschießens sind bei jeder Tierart verschieden. Die geschossenen Tiere sind weg, andere reagieren darauf und werden vielleicht vorübergehend vergrämt oder scheu. Gut so, mag der erste Eindruck sein. Aber ist eine Tierart vorübergehend dezimiert, so nimmt nicht selten eine andere die freien Nischen mit Futter und Lebensraumangebot ein und nimmt überhand.

Füchse beispielsweise ernähren sich in Städten auch von Ratten, Kaninchen und Mäusen. Dezimiert man in der Stadt die Füchse, so könnten Mäuse und Ratten zunehmen und zum Problem werden. Die wiederum kann man nicht schießen. Man müsste sie beispielsweise vergiften.
Bei Füchsen und Mäusen bewegt die Menschen das Thema Fuchsbandwurm. Über seinen Kreislauf bis zum Menschen gibt es mehr Theorien und Spekulationen als fundiertes Wissen. Die Gefahr, vom Fuchsbandwurm betroffen zu werden, ist äußerst gering. In Deutschland erkranken ca. 30 Leute pro Jahr, viele davon sind Landwirte.

Wie erfolgt die Übertragung der Eier? Der Fuchsbandwurm kann grundsätzlich über den Fuchs (wie es der Name sagt) aber ebenso über Hunde oder Katzen, die nicht regelmäßig entwurmt werden, auf den Menschen übertragen werden. Die Eier können auch über Obst und Gemüse, auf dem sie zufällig gelandet sind, nachdem sie von Fuchs, Hund oder Katze ausgeschieden wurden, in unseren Kreislauf kommen. Wie die Bandwurmeier bei den jetzt Erkrankten wirklich übertagen wurden, ist unbekannt, zumal die Erkrankung erst viele Jahre nach der Infektion in Erscheinung tritt. Gekauftes wie Eigenes aus dem Garten oder aus der Natur könnte gleichermaßen potentiell behaftet sein mit Eiern des Fuchsbandwurms. Rohes Essen vor dem Verzehr zu waschen, ist eine Möglichkeit Eier zu entfernen. Ob dies jedoch nötig ist, darüber gibt es keine Erkenntnisse. Dass die Eier überhaupt über unsere Nahrung übertragen wurden, ist eben nur eine von mehreren Möglichkeiten.

Reduziert man bandwurmfreie Füchse in der Stadt, so wandern möglicherweise andere Füchse zu, die vom Bandwurm befallen sein könnten. Nur wenige Mäuse sind Träger des Fuchsbandwurms. Reduziert man die Füchse generell, so könnten sich andererseits die Mäuse und damit der Zwischenwirt des Fuchsbandwurms vermehren. Es gibt unzählige Theorien zu den vielfältigen Wechselwirkungen. Wahrscheinlich stimmen alle Thesen in einem Teilbereich.

Dr. Christof Janko, echt ausgefuchst und Fachmann für Wildtiere und Wildtiermanagement, nahm die Zuhörer mit beim Wildtiermanagement in urbanen Räumen. Bei lokalen individuellen Problemen mit einem Tier,  und das erläutert er an mehreren Beispielen, können akute Konflikte gelöst werden. Bei generellen Konflikten können sie temporär abgefedert, aber selten dauerhaft oder vollständig gelöst werden. Janko warb dafür, die wildbiologischen Bedürfnisse der Tierarten kennenzulernen und diese mit den mannigfaltigen Aspekten des Stadtlebens im Rahmen eines funktionalen Managementplans in Einklang zu bringen. Berlin ist eine der wenigen Städte in Deutschland, die das Thema mit wissenschaftlicher Professionalität angeht. In der Praxis allerdings ist das Zusammenspiel von Stadtplanern, Architekten, Hausverwaltern, Gartenplanern, Gartenfreunden und Tierfreunden, eigentlich allen Stadtbewohnern eine große Herausforderung.

Manchmal sind nämlich Menschen Ursache des Problems und des Konflikts, beispielsweise wenn sie “ihren“ Fuchs füttern, ihn dabei zähmen und ihm so die Scheu vor dem Menschen nehmen. Besucht dieser zahme Fuchs eine andere offenstehende Wohnung in seinem Revier, so ist ein Konflikt vorprogrammiert.
Janko plädierte dafür, aufkommende Mensch-Wildtier-Konflikte gleichzeitig über Aufklärung der Menschen und in Form eines Wildtiermanagements kompetent und langfristig zu lösen: Verhaltensänderungen könnten also zu einer Lösung beitragen.
Die Lösung liegt in der Regel darin, dass wir unser Verhalten ändern und darin, dass wir urbane Räume so gestalten, bewirtschaften nutzen und pflegen, dass sie als Lebensräume für Menschen Pflanzen und Tiere in vielfältigen Symbiosen geeignet sind. Gute Lösungen finden sich aus der Naturkenntnis und sie liegen im Detail. Pauschale Patentrezepte wie Abschuss können leicht nach hinten losgehen, zum Dauerthema werden oder das Problem nur verlagern und dabei neue Probleme schaffen.

Bei Tauben und Gänsen versuchte man vielfach vergebens eine Regelung der Bestände über Bejagung oder Vergiftung mit der Taubenpille. Hier ist ein Teil des Problems das reichhaltige Futterangebot in Städten (Anmerkung des Verfassers). Auch Ursachen hierzu sind menschengemacht, seien es Achtlosigkeit, das Futter wegzuwerfen, eine großzügige Weitergabe des eigenen Wohlstandes an bettelnde Wildtiere wie die Tauben, oder ein Bedürfnis, eine Liebe und Beziehung zu diesen Geschöpfen, ausgedrückt in der Gabe von Taubenfutter. Das weite Feld der Vögel, seien es Gänse, Tauben oder Krähen, sparte Christof Janko an diesem Abend allerdings aus.

Dr. Nico Döring

Fuchs Naomi mit Halsbandsender
Foto: C. Janko

Rotfuchsstreifgebiete in Herrsching / Bayern. Herrsching hat 11 000 Einwohner. Füchse haben ein hohes Anpassungsvermögen an verschiedenen Lebensraumgegebenheiten. Je nach Lebensraum leben Füchse in getrennten Revieren oder in Familiengruppen in  überlappenden oder sogar in identischen Streifgebieten.
Foto: C. Janko

Der Fuchs ist ein relativ anspruchsloser Allesfresser und findet in Siedlungsräumen ein hohes vielfältiges Nahrungsangebot.
Foto: C. Janko